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Ja, Umweltschutz ist teuer

Dr. Christian Reisinger, Geschäftsführer der ConClimate GmbH, im Gespräch mit Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif

Dr. Reisinger:

Herr Professor Latif, ich freue mich sehr, Sie heute begrüßen zu dürfen und Ihnen einige Fragen stellen zu dürfen. Sie sind ein Pionier was das Thema Klimaschutz angeht und schon Jahrzehnte lang dabei. Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, dass Sie, wenn Sie "König der Welt“ wären, als Erstes die Subventionen für fossile Energieträger abschaffen würden. Wenn man sich ein bisschen mit der Materie beschäftigt, stellt man fest, dass Deutschland immer noch mehr Geld für die Förderung fossiler Energien ausgibt, als für die Förderung erneuerbarer Energien. Wie kann das sein und, noch wichtiger ist die Frage, wie kommen wir raus aus diesem Teufelskreis?

 

Prof. Dr. Latif:

In der Tat subventionieren wir Umweltzerstörungen, indem wir die fossilen Energien so stark subventionieren. Wir müssen endlich begreifen, dass es nicht darum geht, alte Technologien zu unterstützen, sondern neue Technologien, die Zukunft, zu unterstützen. Nur dann werden wir auch als Land zukunftsfähig sein.

 

Dr. Reisinger:

Bleiben wir bei Zukunftsfähigkeit. Mein Eindruck ist, dass wir in Deutschland zu wenig auf Zukunftschancen achten, sondern stattdessen in tiefe Grabenkämpfe verfallen – z.B. was ein Gesetz zur Modernisierung von Heizungen angeht. Natürlich sind hier und da Fehler gemacht worden, handwerklich wie politisch. Aber wieso fällt es uns so schwer, uns auf die Chancen, die diese Transformation mit sich bringt, zu konzentrieren? Und wieso sehen wir immer nur die Schattenseiten und Kosten, und nie, was es uns bringen würde?

 

Prof. Dr. Latif: 

Es ist wichtig zu sehen, was uns der Klimawandel heute schon kostet: Jedes Jahr Milliarden von Euro. Zum Beispiel die Hilfen für die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft. Bei uns an der Küste werden die Deiche hochgebaut. All diese Dinge müssen finanziert werden und das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern es kommt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Und das wird immer mehr werden, Jahr für Jahr, weil der Klimawandel weiter voranschreitet. Und deswegen sollte man sich ganz genau überlegen, ob wir jetzt Klimaschutz betreiben, ob wir die Investition jetzt machen oder irgendwann praktisch vor unbezahlbaren Herausforderungen stehen. Und am Ende des Tages muss man auch sehen, dass es Grenzen der Anpassungsfähigkeit gibt, aber auch Grenzen der Finanzierbarkeit.

 

Dr. Reisinger:

Es gibt ja schon lange Studien, die besagen: Keinen Klimaschutz zu betreiben ist ungefähr fünf Mal teurer als rechtzeitig in Klimaschutz zu investieren.

 

Prof. Dr. Latif:

Keinen Klimaschutz zu betreiben ist extrem teuer, insbesondere wenn man es über längere Zeiträume betrachtet. Es ist auch wichtig zu sehen, welche Chancen Klimaschutz bietet. Klimaschutz ist der Innovationsmotor schlechthin. Und wir sehen das ja gerade bei der Automobilindustrie, die Gefahr läuft, abgehängt zu werden, weil sie nicht schnell genug ist bei der E-Mobilität und immer noch krampfhaft versucht, am Verbrenner festzuhalten.

 

Dr. Reisinger:

Ja, das ist ein Paradebeispiel. Natürlich ist die deutsche Industrie insgesamt sehr stark geprägt von der Automobilindustrie. Und die Chancen, die wir in den Neunzigerjahren gehabt hätten, um die Weichen für neue Technologien zu stellen, wurden leider nicht genutzt. Das bringt uns zum Thema Wettbewerbsfähigkeit. Von einigen Klimaskeptikern wird gerne als Argument angeführt, dass wir international nicht mehr wettbewerbsfähig wären, wenn wir jetzt zu viel in den Klimaschutz investieren. Ich sehe das genau umgekehrt. Ich glaube, wenn wir nichts tun beim Thema Klimaschutz, dann werden wir langfristig gar nicht mehr wettbewerbsfähig sein, weil wir keine Produkte mehr produzieren, die der Weltmarkt benötigt. Sehen Sie das ähnlich?

 

Prof. Dr. Latif: 

Ja, es ist in der Tat so und auch der amerikanische Präsident Joe Biden sieht es genauso. Ich erinnere mich noch sehr gut an seine Rede auf dem Online-Klimagipfel, den er gleich nach seiner Amtseinführung einberufen hatte. In seiner Rede hat er sich in erste Linie an die eigene Bevölkerung gewendet und gar nicht so sehr an die Welt. Und dabei hat immer wieder betont, Klimaschutz bedeute einen Boost für die amerikanische Wirtschaft und wird der Jobmotor schlechthin sein. Deswegen favorisiert er den Umbau der amerikanischen Energiesysteme. Er hat jetzt damit ernst gemacht, mit dem Inflation-Reduction-Act. Auch wir in Deutschland hätten große Chancen durch Klimaschutz. Beispielsweise wird einer der Standortvorteile sein, ob man Zugang zu billiger Energie hat, und vor allem zu sauberer Energie. Das wird darüber entscheiden, oder mit darüber entscheiden, wo sich Unternehmen ansiedeln. Und da hat Deutschland, gerade im Osten Deutschlands, ein unglaubliches Potenzial. Denn dort gibt es sehr viel Fläche, dort kann man sehr viel erneuerbare Energie „ernten“. Und wir sehen ja jetzt schon, dass die ersten Unternehmen sich auch in Ost-Deutschland ansiedeln. Genau das muss man dynamisieren und beim Ausbau der erneuerbaren Energien viel schneller vorangehen.

 

Dr. Reisinger:

Ich hoffe, dass wir als Gesellschaft noch rechtzeitig diese Erkenntnis gewinnen. Als Geschäftsführer der ConClimate rede ich sehr viel mit Unternehmen und mit verschiedenen Führungspersönlichkeiten in Unternehmen. Natürlich herrschen da zum Teil auch Ängste vor, vor dieser Transformation, vor der Herausforderung. Man fragt sich zum Beispiel was es konkret bedeutet, als Unternehmen eine Net-Zero-Strategie umzusetzen. Das ist ja doch mit starken Herausforderungen verbunden. Gibt es irgendwas, dass Sie diesen Personen mit auf dem Weg mitgeben können, um ein bisschen Mut zu machen, diese Aufgabe anzupacken?

 

Prof. Dr. Latif: 

Zunächst einmal müssen wir das ja nicht innerhalb weniger Jahre umsetzen. Sondern wenn wir anfangen, als Welt den Anstieg der Treibhausgase zu bremsen und die Emissionen allmählich senken, dann hätten wir immer noch Jahrzehnte Zeit. Wenn ich überlege, was in den letzten Jahrzehnten alles passiert ist an Technologiewandel, dann müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir so eine Herausforderung nicht innerhalb einiger Jahrzehnte schaffen können. Aber: wir dürfen nicht warten. Stillstand ist Rückschritt. Und je länger wir warten, desto teurer wird das Ganze.

 

Dr. Reisinger:

Vielen Dank dafür. Ich werde das gerne mitgeben, wenn ich die Gelegenheit dazu habe und darf mich jetzt ganz herzlich für das Gespräch mit Ihnen bedanken. Es hat mir viel Spaß gemacht. Herzlichen Dank, Herr Professor Latif.

 

Prof. Dr. Latif: 

Sehr gerne.

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