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Jetzt die Weichen für eine lebensfördernde Zukunft stellen

Die Deutsche Gesellschaft Club of Rome (COR) hat jüngst Peter Blenke zu ihrem neuen Mitglied berufen. Dr. Christian Reisinger, Geschäftsführer der ConClimate GmbH, sprach mit dem Vorstand/CEO über seine neue Aufgabe und seine Sicht auf die aktuelle wirtschaftliche Situation und deren Auswirkungen auf die Klimapolitik Deutschlands.

Dr. Christian Reisinger:

Herr Blenke – Sie sind seit 2020 assoziiertes Mitglied in der Deutschen Gesellschaft Club of Rome – kurz COR. Sie ist Teil einer international agierenden, gemeinnützigen Organisation, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Nun wurden Sie in den Kreis ihrer Mitglieder berufen und stehen damit in einer Reihe mit vielen anderen Persönlichkeiten, die sich im Themenfeld Nachhaltigkeit und Klimaschutz als Experten verdient gemacht haben, wie etwa Claudia Kemfert, Eckart von Hirschhausen, Franz-Josef Radermacher oder Ernst Ulrich von Weizsäcker und natürlich COR-Präsident Mojib Latif. Meinen herzlichen Glückwunsch hierzu! Was motiviert Sie, diese Aufgabe zu übernehmen?

 

Peter Blenke:

Herzlichen Dank! Ja, diese Mitgliedschaft motiviert mich vor allem, meinen Teil dazu beizutragen, den Prozess des Wertewandels hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu fördern. Der Wertewandel wird zu Recht als Megatrend gesehen, der einen massiven – wenn nicht sogar disruptiven – Einfluss auf unsere Gesellschaft und speziell auch auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen hat. Es ist unübersehbar, dass die junge Generation Z – die heute Zwanzig- bis Dreißigjährigen – über viele Themen völlig anders denkt als die Älteren. Mein Eindruck ist, dass manche Unternehmen die Relevanz dieser Entwicklung in ihrer ganzen Dimension noch nicht verstanden haben.

Besonders freue ich mich darüber, dass ich mit Wissenschaftler*innen, Entscheidungsträger*innen und Visionär*innen zusammenarbeiten kann, die sich mit ihrer jeweiligen individuellen Expertise für eine gemeinsame Idee einsetzen. Und natürlich ist es eine große Ehre und Freude, Teil einer solchen Institution zu sein. Denn der Club of Rome hat in den letzten 50 Jahren die Debatte über die nachhaltige Zukunft der Menschheit geprägt. Nicht zuletzt – bereits in den 1970er Jahren – durch seine wohl bekannteste Veröffentlichung „Die Grenzen des Wachstums“. Natürlich habe ich aber auch großen Respekt vor der Aufgabe, denn der Klimawandel wird uns vor immense Herausforderungen stellen. Daher sehe ich auch die große Verantwortung, die mit einer Mitgliedschaft einhergeht – denn letztlich bleibt uns nicht viel Zeit, die Weichen für eine nachhaltige und lebensfördernde Zukunft zu stellen. Gemeinsam müssen wir alles tun, um die Folgen der Klimakrise möglichst gering zu halten!

 

Dr. Christian Reisinger:

An Herausforderungen mangelt es aktuell keineswegs – wir leben in einer Zeit, in der sich mehrere Krisen überlappen: Die Pandemie, die mittlerweile Routine geworden ist, die weltpolitische Krise, die durch den Angriffskrieg in der Ukraine entstanden ist, und die daraus hervorgegangene Energiekrise. Und nicht zuletzt die Klimakrise, die uns durch immer extremer werdende Wetterphänomene schneller einzuholen scheint, als viele erwartet haben. Was ist Ihrer Meinung nach gerade das dringendste Problem?

 

Peter Blenke:

Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Nach wie vor ist die Klimakrise sicher eine der größten Herausforderungen der Menschheit – vorausgesetzt natürlich, die aktuelle Lage mit Blick auf Russland und die Entwicklung im Ukraine-Krieg spitzen sich nicht weiter zu. Die Energiekrise ist aber ganz klar die elementarste Herausforderung, die wir in kürzester Zeit meistern müssen. Deutschland rutscht in eine Rezession, die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit 70 Jahren. Wir müssen schnell das Überleben unserer Industrie und generell der Wirtschaft sicherstellen, auch, um die politische Stabilität in unserem Land aufrecht zu erhalten. Denn die Folgen der Energiekrise könnten der radikalen Querdenker-Szene neuen Auftrieb geben und die Gesellschaft spalten. 

 

Dr. Christian Reisinger:

Viele Kritiker behaupten, dass unsere Energieprobleme hausgemacht sind. Statt konsequent auf den Ausbau einer diversifizierten Energiewirtschaft auf der Basis erneuerbarer Energien zu setzen, wurde Stückwerk betrieben. Zwar wurden Windräder und Photovoltaik-Anlagen gebaut, gleichzeitig aber auch die Abhängigkeit von Erdgas als Energieträger befördert. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

 

Peter Blenke:

Hier hat Deutschland meines Erachtens die letzten Jahre verschlafen. Hätten wir konsequent den Ausbau erneuerbarer Energien und alternativer Energiequellen gefördert, würde die Situation heute anders aussehen. Man hat aufs falsche Pferd gesetzt und sich in Energie-Abhängigkeiten begeben, die uns nun einholen. Aber man muss auch berücksichtigen, was bis zum Ausbruch der Pandemie und des Krieges zentrale Werte unseres Wirtschaftssystems waren: Wachstum und größtmögliche Kosteneffizienz. Während etwa Fragen zur Versorgungssicherheit und Resilienz weit in den Hintergrund getreten sind. Man hat dies schlichtweg als selbstverständlich betrachtet. Nun haben uns die Krisen der vergangenen Jahre eines Besseren belehrt: Plötzlich sind Themen wie Krisensicherheit und politische Unabhängigkeit von größter Relevanz – und leider müssen wir in der aktuellen Lage sogar unsere Klimaziele für einen Moment zurückstellen.

 

Dr. Christian Reisinger:

Was bedeuten die aktuellen politischen Entscheidungen denn in Bezug auf unsere Klimaziele?

 

Peter Blenke:

In unserer aktuellen Lage gehen kurzfristig schmutzige Kohlekraftwerke zurück ans Netz, wenn auch nur für einen befristeten Zeitraum. Natürlich schafft es Zielkonflikte, dass wir jetzt auf Kohle setzen, einen Energieträger mit mehr als doppelt so hohen Emissionen pro Kilowattstunde, wie z.B. Erdgas. Das ist klimatechnisch natürlich nicht gewünscht, kurzfristig jedoch leider alternativlos. Wenn wir Glück haben, lassen jedoch verstärkte Energiespar-Anstrengungen unsere Gesamtemissionen an CO2 am Ende nur leicht ansteigen. Der Weiterbetrieb unserer Atomkraftwerke bis in den April 2023 trägt nur bedingt zur Entspannung der Lage am Strommarkt bei. Denn die drei verbliebenen Meiler erzeugen lediglich sechs Prozent des Stroms in Deutschland. Daher werden wir nicht umhinkönnen, Strom aus Kernenergie und Kohleverstromung importieren zu müssen, um unseren Bedarf zu decken. Und das wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum, denn die dringend notwendige Umstellung von Erdgas auf alternative Energieträger – oder generell der Ausstieg aus den fossilen Energien – wird, gemessen an den bestehenden Strukturen, lange dauern. Auch dies ist aus Sicht des Klimaschutzes ein Unding. Um unser neues Klimaziel, den Anteil von 80 Prozent erneuerbarem Strom bis 2030, zu erreichen, müssten jährlich 1.500 bis 2.000 Windkraftanlagen gebaut werden. Fehlende genehmigte Flächen und langwierige Verfahren stehen dem im Wege. Der akute Fachkräftemangel bremst zudem die Energiewende aus. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, wie auch der Stromnetze muss deutlich schneller gehen. Bürokratische Hürden müssen jetzt schnell aus dem Weg geräumt werden. Aber, auch beim Ausbau anderer, alternativer Energiequellen müssen wir uns viel breiter aufstellen, viel diverser werden. Je mehr Möglichkeiten erschlossen werden, desto resilienter werden wir in Fragen der Energie künftig sein. Hier bedarf es grundsätzlich der Reduzierung von Regularien und der Förderung neuer innovativer Ideen – je mehr Wettbewerb, desto besser.

 

Dr. Christian Reisinger:

Was haben unsere aktuellen Probleme mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun? Schließlich hat der Club of Rome ja vor mehr als 50 Jahren als eine der ersten Institutionen darauf hingewiesen, dass wir unsere Art zu wirtschaften ändern müssen, wenn wir langfristig auf diesem Planeten leben möchten.

 

Peter Blenke:

Der Bericht des Club of Rome hatte schon damals mit seiner Grundaussage recht: Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich. Und wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher, gehen wir sehr bald über diese planetaren Grenzen hinaus. Wir müssen unser Wohlstandsmodell korrigieren, aber nicht durch Verzicht, sondern durch bessere Angebote, durch bessere Technik und weniger Maßlosigkeit. Zur Not auch mit Gesetzen, die die Wirtschaft, die Industrie und die Gesellschaft dazu verpflichten. Besser wäre jedoch die Einsicht statt der Pflicht. Aber bis sich unsere Institutionen, unsere Werte und letztlich auch unsere Anreizsysteme wandeln, wird es wohl noch dauern. Gerade vor dem Hintergrund der momentanen Lage, in der viele Menschen Angst vor diesem Winter haben. An vielen Stellen sehe ich jedoch auch positive Entwicklungen: Immer mehr Unternehmen erkennen ihre nachhaltige Verantwortung der Gesellschaft und unserem Planeten gegenüber und richten ihr Handeln nach ESG-Kriterien aus. Zudem werden die CSRD „Corporate Sustainability Reporting Directive“ und das ab 01. Januar 2023 geltende Lieferkettengesetz sicherlich zu einem Umdenken vieler Unternehmen beigetragen.

 

Dr. Christian Reisinger:

Stimmt, in Sachen Klima und Nachhaltigkeit werden Unternehmen stärker in die Pflicht genommen. Die von Ihnen angesprochene „Corporate Sustainability Reporting Directive“, verpflichtet erstmalig mehr als 50.000 Unternehmen in der EU zu einer regelmäßigen Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen des Lageberichtes.

 

Peter Blenke:

Ja. Durch die neue Richtlinie sind Unternehmen EU-weit verpflichtet, über nicht-finanzielle Auswirkungen – wie zum Beispiel Umwelt- und Klimaschutz oder soziales Engagement – ihres Handelns zu berichten. Das betrifft in erster Linie die Größeren, doch auch kleinere, mittelständische Firmen müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Denn die von der CSRD betroffenen Unternehmen werden von ihren Partnern Nachhaltigkeitsinformationen einfordern müssen, um die Auflagen erfüllen zu können. Zudem gilt für Betriebe mit mehr als 3.000 Beschäftigten das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Es soll weltweit menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vermeiden.

 

Dr. Christian Reisinger:

Haben die neuen Gesetze Auswirkungen auf die Unternehmenspolitik der Wackler Group?

 

Peter Blenke:

Nicht grundlegend, denn wir haben uns vor über 15 Jahren bereits auf unseren Grünen Weg gemacht und vieles von dem, was jetzt gefordert wird, bereits umgesetzt. Klima- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit sind zentrale Bestandteile unserer Unternehmenspolitik. Unsere Entscheidungen orientieren sich an den „Sustainable Development Goals (SDGs)“, den 17 Zielen der Vereinten Nationen, welche weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung dienen sollen. Seit 2018 sind wir durch den Ausgleich unserer bisher nicht vermeidbaren CO2-Emissionen klimaneutral. Und bereits vor einem Jahr haben wir auf freiwilliger Basis unseren Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Für 2023 haben wir uns neue, weitergehende Ziele im Rahmen unserer Nachhaltigkeitspolitik gesteckt.

 

Dr. Christian Reisinger:

Was heißt das für Wackler konkret für das kommende Jahr?

 

Peter Blenke:

Wir entwickeln zurzeit eine Net-Zero-Strategie, also eine Strategie zur Erreichung wissenschaftsbasierter Reduktionsziele nach den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens 2015. Dadurch verpflichten wir uns, unsere Emissionen in den nächsten zehn Jahren um über 40 Prozent und bis 2045 auf annähernd Null zu reduzieren. Das stellt uns vor große Herausforderungen, aber letztlich ist es notwendig, dass jedes Unternehmen seine Verantwortung wahrnimmt, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Bis dahin werden wir weiterhin unsere Emissionen durch zertifizierte Klimaschutzprojekte ausgleichen. Wir werden aber noch einen Schritt weiter gehen, denn ab 2023 bieten wir über die gesamte Wackler Group unsere Dienstleistungen als „Green Services“ an – näheres zu dem Konzept stellen wir Anfang des Jahres vor.

 

Dr. Christian Reisinger:

Im Rahmen Ihrer Mitgliedschaft im COR die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz voranzutreiben, ist in der aktuellen Situation eine schwierige Aufgabe. Kann man die Menschen hier momentan überhaupt erreichen? Glauben Sie an das Narrativ einer erfolgreichen Transformation hin zu einem ressourcenschonenden und treibhausgasneutralen Deutschland?

 

Peter Blenke:

Fast 90 Prozent der Deutschen glauben heute an den menschengemachten Klimawandel, aber es besteht eine Lücke zwischen dem vorhandenen Wissen über das Notwendige und dem Entschluss, dieses auch in die Praxis umzusetzen. Hier besteht ein sogenanntes Knowing-Doing-GapAus Wissen und Entschluss wird leider allzu oft kein Handeln. Natürlich glaube ich an das Narrativ einer erfolgreichen Transformation, aber wie heißt das berühmte Goethe-Zitat: „Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehn!“. Wie schon in der Pandemie zeigt sich auch in der aktuellen Lage ein Grundmuster: Für die Bekämpfung einer akuten Krise ist die Politik bereit, enorme Mittel zur Verfügung zu stellen, bei der Finanzierung einer langfristigen Transformation ist man jedoch wesentlich zögerlicher. Hier müssen wir sicherstellen, dass wir auch nach der Krise die notwendigen Mittel in die Hand nehmen, um eine Transformation hin zu einer regenerativen Energiewirtschaft zu vollziehen. Es bedarf klarer Ansagen vom Staat, staatliche Förderungen innovativer Ideen und Unterstützung von Betrieben, die mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Im Rahmen der Bestrebungen Deutschlands, sich langfristig von ausländischen Energielieferanten unabhängig zu machen, haben wir jetzt die Chance, die Weichen für einen Umbau unserer Energiewirtschaft in Richtung erneuerbare Energien zu stellen – die Voraussetzung für eine spätere Klimaneutralität.

 

Dr. Christian Reisinger:

Sie begleiten die Tätigkeit der Deutschen Gesellschaft Club of Rome nun schon seit einigen Jahren. Welche Impulse möchten Sie für die zukünftige Tätigkeit setzen?

 

Peter Blenke:

Der COR hat viel geleistet. Es ist wichtig, die Wahrnehmbarkeit der Institution und vor allen seiner Ideen und Denkanstöße auch in der Mitte der Gesellschaft zu steigern. Dabei ist jedes Mitglied gefragt, dem Thema seine Stimme zu geben. Gerade mit Blick auf Verständlichkeit, zum Beispiel bei dem Begriff Wertewandel. Von welchen Werten sprechen wir überhaupt? Die wichtigsten sind sicher, dass wir von unserer Maßlosigkeit einen Schritt zurücktreten, v.a. was unser Konsumverhalten angeht. Unternehmen sollen Gewinne machen, aber maßvoll adäquat und nicht zu Lasten des Planeten und der Arbeitnehmer*innen. Auch sollten wir unser Anspruchsdenken zurückschrauben. Toleranz und Offenheit für neue Ideen sind jetzt wichtig. Und wir dürfen nicht vergessen, welchen Stellenwert unsere Demokratie hat. In einem jüngst veröffentlichten Report des Club of Rome stand, dass die „kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden“, als „bedeutendste Herausforderung unserer Tage“ gesehen werden muss. Mit Social Media könnte eine ganze Industrie der Falsch- und Desinformationen entstehen. Das geht mit Polarisierung und Vertrauensverlust einher und langfristig mit dem Verlust unserer demokratischen Grundwerte. Diese zu erhalten ist elementar.

Um so wichtiger ist es in meinen Augen, nicht nur Wissen und Meinungen zu verbreiten, sondern vor allem positive Beispiele! Best Practices, die zeigen: es funktioniert! Wir müssen es nur (nach)machen, multiplizieren, den Transfer leisten. Es geht jetzt um Wirkung. Denn Wirkung ist eine Währung, die über jeden Zweifel erhaben ist, die sich weder kaputt debattieren noch fehlinterpretieren lässt. Oder lassen Sie es mich ausnahmsweise auf Englisch sagen: Es geht um IMPACT ... da steckt nämlich ACT schon drin. Wir müssen jetzt ins TUN kommen. Dafür will ich mich ganz persönlich einsetzen.

 

Dr. Christian Reisinger:

Herr Blenke, vielen Dank für dieses Gespräch. 

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